Digitalisierung und Prozessmesstechnik

Im stärker werdenden Wettbewerb der energieintensiven Prozessindustrie bieten ressourcenschonende und durchgängig transparente Prozesse einen Wettbewerbsvorteil. Das BFI unterstützt Sie bei der digitalen Transformation hin zum vernetzten, kundenorientierten Anbieter von individuellen Produkten auch für kleine Losgrößen. Durch neuartige Prozessmesstechnik werden bisher unbekannte Prozessinformationen digitalisiert und für eine KI-gestützte Prozessführung sowie die Anlagen- bzw. werksübergreifende Logistik nutzbar gemacht. In den folgenden Abschnitten finden Sie einige unserer Konzepte sowie Beispiele von bereits umgesetzten Forschungs- und Entwicklungsarbeiten.
Prozessmesstechnik
Ohne ausreichende online Informationen über den Zustand des Produktionsprozesses und die Qualitätsparameter des Produktes sind weder Regelungen von Einzelanlagen und Prozessketten noch KI-gestützte Digitalisierungslösungen realisierbar. Hier bietet das BFI innovative Ideen und industrietaugliche Lösungen für die Prozessmesstechnik. Im Folgenden ist eine Auswahl unserer Lösungen dargestellt.
Kameratechnik und Bildverarbeitung
Das BFI setzt seit vielen Jahren erfolgreich verschiedene Arten von Kameras zur Prozess- oder Produktüberwachung, verbunden mit der individuellen Analysesoftware, ein. Dabei kommen visuelle, infrarot, UV sowie Hyperspektralkameras in industrieller Umgebung zum Einsatz. Mit unserer berührungslosen Durchmessermessung werden heiße Schmiedestücke (rund und eckig) vermessen. Mit TopPlan wurde die Planheitsmessung an zuglosen Bändern realisiert.
Lösungen zur Bestimmung der Spüleffizienz der Schmelzenbehandlung in Spülstand (DynStir) und Vakuumanlage, Abschlacken (OptDeSlag) sowie zur Gießpulverüberwachung (RealTimeCastSupport) befinden sich im industriellen Einsatz. Diese Lösungen bestehen aus einer an der Anlage installierten Kamera (im visuellen oder infraroten Wellenlängenbereich) und nachgeschalteter Bildverarbeitung mit klassischen und KI-Methoden.
Hyperspektralkameras mit unterschiedlichen Spektralbereichen (VIS/NIR und MWIR) werden erfolgreich in industriellem Umfeld zur Identifizierung von schwer zu erkennenden Fremdmetall- und Kunststoffkomponenten bei der Produktion von hochwertigem Recyclingmaterial eingesetzt (REDERS).
Die Detektion von Restzunder nach der Primärentzunderung sowie die Messung sehr dünner Sekundär- und Primärzunderschichten auf Knüppeln, Brammen und Bändern wurde mit SW-, RGB- und IR-Kameras realisiert (HiPerScale, INFIRE und ReduHeatLoss). Mit diesen Messtechniken ist z.B. eine zeitnahe Abschätzung der Produktoberflächenqualität, eine frühzeitige Identifizierung von Prozessabweichungen und eine stetige Einflussnahme auf die Entzunderung möglich.
Akustische Messtechnik
Mit Hilfe akustischer Verfahren wurden Lösungen zur berührungslosen Vibrationsmessungen zur Detektion von vibrationsbedingten Prozesszuständen (z.B. Sumpfspitzenerkennung, Schlackeschäumen) entwickelt (ConSolCast).
Durch eine eigenentwickelte Ultraschalltechnik können Eisen- und Säuregehalt in Beizen gemessen werden.
Glasfaserbasierte Temperaturmessung
Sehr erfolgreich wird unser patentiertes Verfahren zur kontinuierlichen Messung der Temperatur in metallischen Schmelzen mit Hilfe faseroptischer Sensoren eingesetzt (MeltCon). In einer ersten Machbarkeitsstudie konnte das faseroptische Messystem weiterentwickelt werden, um auch die chemische Zusammensetzung der Schmelze hinsichtlich relevanter Elemente analysieren zu können (OMiAS).
Durch die Entwicklung von Auswertesoftware sind Anwendungen zur Messung der Temperaturverteilung in der Kokille mit faseroptischen Sensoren in mehreren Projekten erfolgreich umgesetzt worden (ConSolCast, OpConDigiCast, RealTimeCastSupport).
Zur Überwachung der Temperaturverteilung am Strang wurde eine IR-Kamera mit eigens entwickelter Bildverarbeitungssoftware eingesetzt, die auch Zunder erkennen kann (SupportCast). Aktuell entwickelt das BFI einen autarken Sensor zur Messung der Temperatur im Feuerfest von Stahlwerkspfannen (SmartLadle).
Digitale Transformation
Seit vielen Jahren unterstützt das BFI die Prozessindustrie bei der digitalen Transformation, dem Wandel zum Zeitalter des Wissens und der Kreativität. Digitalisierung bedeutet für die Prozessindustrie die Nutzung von Daten und algorithmischen Systemen für neue oder verbesserte Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle, die durch digitale Technologien wie künstliche Intelligenz und digitale Innovationen geprägt sind.
Digitale Zwillinge
Die entlang einer komplexen Prozesskette erfassten Daten werden in proaktiven Digitalen Zwillingen zusammengeführt und ausgewertet und liefern detaillierte Informationen zum Ablauf der Produktion und zum Zustand der Produkte. Dabei sind die spezifischen Anforderungen industrieller Daten, die lagerichtige Verfolgung der Produkte sowie die Herausforderungen bei der Zuordnung der Daten zu sich ständig verändernden Produkten zu berücksichtigen.
Big Data und KI
Die Analyse großer Datenmengen mit modernen Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) gibt Hinweise, wie ein Produkt effizienter hergestellt oder die Produktqualität verbessert werden kann. Hierbei wird stets ein Prozessstufen- und, wo erforderlich, auch ein werksübergreifender Ansatz gewählt.
Anwendungsbeispiele sind die prozessstufenübergreifende Analyse großer Mengen von ein-, zwei- und dreidimensionaler sowie eventbasierter Daten wie zum Beispiel die Klassifikationsergebnisse von Oberflächeninspektionssystemen (EvalHD, CheckSIS), die Analyse einer großen Anzahl von Messsignalen, die schnelle Suche nach ähnlichen Prozesssituationen in Prozesssignalen über lange Zeiträume (SitErk) oder die Analyse hochaufgelöster Zeitserien-Prozessdaten in Bezug auf die Ursachen für Fehler zur Ableitung einflussreicher Schlüsselfaktoren (PRESED).
Machine Learning
Die Anwendung von modernen Machine Learning (ML) Methoden als Untermenge der KI bietet die Möglichkeit, aus großen Datenmengen die wesentlichen Informationen nutzbar zu machen.
Für den Einsatz von KI bzw. ML ist im BFI immer ein human-zentrierter Ansatz wichtig. Durch eine innovative KI-Datenpipeline mit autonomen Datenverarbeitungsfunktionen können kontinuierlich aktualisierte KI-Anwendungen entwickelt werden, die durch maßgeschneiderte, vertrauenswürdige Self-X-KI-Technologien die Integration von Daten und einem autonomen Manager die Rolle des Menschen in der Anwendung unterstützt (s-X-AIPI).
Dabei ist ein Höchstmaß an Sicherheit, Vertrauen und reibungsloser Kommunikation zwischen industriellen Lösungen, die durch künstliche Intelligenz unterstützt werden, und den Anwendern zu gewährleisten. Im Projekt ALCHIMIA kommen hierbei auch Methoden des Federated Learnings zur werksübergreifenden Optimierung von hybriden Prozessmodellen zum Einsatz.
Seine Expertise bringt das BFI auch in das Kompetenzzentrum der Metropole Ruhr für die Arbeitswelt der Zukunft mit Künstlicher Intelligenz ein (HUMAINE).
Entscheidungsunterstützungssysteme: Beispiele für Qualität und Logistik
Die zunehmende Verfügbarkeit großer Datenmengen und einer Vielzahl von Prozess- und Produktinformationen bei gleichzeitig herausfordernder Personalsituation in den Produktionsbetrieben führt zu einer enormen Belastung der Verantwortlichen. Hier kann das BFI durch eine Vielzahl von auf den Anwendungsfall zugeschnittener Entscheidungsunterstützungssysteme zu einer erheblichen Entlastung beitragen.
Für die Bewertung der Produktqualität wird anhand von historischen Entscheidungen ein Regelwerk mit Hilfe von ML erstellt und bei Bedarf an geänderte Prozessbedingungen und Kundenanforderungen angepasst (DeepQuality). Bei der Flachstahlproduktion kann die zu erwartende Planheit des Produktes geschätzt werden und so dem Anlagenbediener wertvolle Hinweise geben, wie der Prozess zu fahren ist, um die beste Qualität zu erzielen (HatFlat).
Für die Feinplanung der Produktion ist die Performance der Anlagen bezüglich der vom Kunden geforderten Produktqualität entscheidend. Hier bietet eine Entscheidungsunterstützung basierend auf einem Performance-Index eine wertvolle Hilfe (DynReAct). Mit Hilfe fortschrittlicher Methoden und Werkzeuge wurde eine Lösung entwickelt für das optimierte Management von Gas- und Dampfnetzen in integrierten Stahlwerken zu unterstützen mit dem Ziel, die Energieeffizienz zu verbessern, die CO2-Emissionen sowie die Energie- und Verwaltungskosten zu senken (SMARTER).
Zur Realisierung von Industrie 4.0 in der Stahlindustrie werden Lösungen benötigt, die alle Zwischen- und Endprodukte entlang der kompletten Produktionskette verfolgen. Damit dies im Stahlwerksbereich realisiert werden kann, hat das BFI ein Projekt zur Optimierung der Pfannenlogistik koordiniert (TrackOpt).
Softwarelösungen nach Kundenvorgabe
Die Verfügbarkeit von großen Datenmengen bringt die Herausforderung mit sich, diese in geeigneter Form vorzuverarbeiten, auszuwerten und für den jeweiligen Anwender (Produktion, Qualitätswesen, technische Kundenberatung) optimiert darzustellen. Durch die langjährige praktische Erfahrung in der angewandten Spitzenforschung vor Ort in der Prozessindustrie spricht das BFI die Sprache der Anwender vom Shop-Floor bis zur Unternehmensführung. So können wir nach Kundenanforderung zugeschnittene Softwarelösungen als Einzelplatzversion oder Web-Anwendung anbieten.
Als Beispiel für eine Einzelplatzanwendung ist hier die Software zum SEP-Prüfblatt 1670 genannt. Diese erlaubt die Ausgleichsrechnung für Kerbschlagarbeit und Sprödbruchanteil sowie Kennzahlen wie ME und ETT, die in SEP 1670 definiert sind und aus den Ausgleichskurven abgeleitet werden können.
Für die Implementierung von Softwarelösungen ist das BFI an der Entwicklung von Europäischen Standards für die Prozessindustrie beteiligt (COCOP, CAPRI). Die Verwendung von offenen Standards (z.B. OPC/UA, MQTT) sowie etablierten Open-Source Komponenten (z.B. JavaScript, Angular, Flask, React) ist die Wartung und Adaption der BFI-Lösungen auch nach Projektende durch den Werkspartner selbst oder als Dienstleistung des BFI gewährleistet.
Für die Erstellung eines kosten- und qualitätsoptimalen Schrottmixes für die Rohstahlherstellung hat das BFI eine web-basierte Software zur Schrottcharakterisierung und Schrottmix-Optimierung basierend auf einer ML-Auswertung von Prozessdaten entwickelt (REVaMP, ALCHIMIA, s-X-AIPI). Die Prozess- und Qualitätsdaten werden über Datenbankschnittstellen eingelesen. Für jede verwendete Schrottsorte werden metallisches Ausbringen und Elementgehalte berechnet und ihre zeitliche Entwicklung verfolgt. Die jeweils aktuellen Schrotteigenschaften werden in der Schrottmixoptimierung berücksichtigt. Das Software-Werkzeug unterstützt auch bei der Bewertung und Qualitätsüberwachung der ins Stahlwerk gelieferten Schrotte.
Für die Übertragung von validierten produktbezogenen Qualitätsdaten, die von den Kunden der Prozessindustrie zunehmend zu den Zertifikaten gefordert werden, hat das BFI eine adaptive Plattform entwickelt, die die horizontale Integration von Qualitätsinformationen über die gesamte Lieferkette realisiert (Quality4.0) um eine neue Ebene der Zusammenarbeit zwischen Kunden und Lieferanten zu etablieren und einen gemeinsamen Fokus auf die Herstellung von Produkten höchster Qualität in Zeiten herausfordernder globaler Märkte zu legen.
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